So entsteht der Tagi

27. September 2013 3 Von blogstone

Layout des Tages-AnzeigersSeit März arbeite ich für das Medienhaus mit der grössten gesamtschweizerischen Abdeckung. Offiziell hört sich das wie folgt an: „Mit ihren Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften, Onlineplattformen sowie Zeitungsdruckereien gehört Tamedia zu den führenden Medienunternehmen der Schweiz“. Als Startup Scout im Digitalbereich habe ich ja keine Ahnung von Journalismus. Deshalb habe ich mich förmlich aufgedrängt um einmal einem richtigen Journalisten über die Schultern schauen zu dürfen.

Patrick Kühnis vom Tages-Anzeiger hat sich gestern meinem Wunsch angenommen. Er amtete als Tagesleiter und musste stets den Überblick bewahren. Aus einem halben Tag wurden schlussendlich sogar mehr als neun Stunden, weil es soviel zu entdecken gab. Aber der Reihe nach. Um 8.45 Uhr startete mein Arbeitstag auf der Redaktion oder dank der Konvergenzstrategie, also der Zusammenarbeit von Online und Print, im Tagi Newsroom. Nach einer kurzen Instruktion begann um 9 Uhr auch bereits die erste Sitzung. An der Top-Five Gesamtredaktionssitzung wurden die erwarteten Tagesereignisse wie zum Beispiel die Krankenkassenprämien, die 1:12-Initiative, der Sieg vom Team Oracle, der Rücktritt des zweiten Züricher Männerbeauftragten, das Zürcher Film Festival, das Pumpspeicherwerk Linthal sowie ein Primeur diskutiert. Ein Primeur ist ein Beitrag über ein Thema, das zum allerersten Mal von einem Massenmedium aufgegriffen wird.

Sitzungsmarathon
Um 9.30 Uhr folgte bereits die Sitzung des Ressorts Inland. Bei den Krankenkassenprämien erwartete man eine maximale Steigerung von 2.5 %. Schlussendlich wurden es dann ja durchschnittlich nur 2,2 Prozent. Das zweite Thema drehte sich um den Wiederspruch, dass der Bundesrat eine Seilbahnlieferung für ein nordkoreanisches Luxus-Skiresort verhindert hat, aber gleichzeitig Entwicklungshilfe für Nordkorea leistet. Das nächste Thema regt zum Schmunzeln an. Ein Appenzeller Politiker will einen Vorstoss lancieren, dass Konkubinatspaare den gleichen Namen annehmen können und anscheinend soll eine Feministin die Idee unterstützen. Nun zum Primeur. Mehrere Quellen bestätigten anscheinend unabhängig voneinander, dass das AKW Mühleberg eventuell bereits 2019 abgeschalten werden könnte. Die Journalisten wurden beauftragt dem Thema nachzugehen.

Anschliessend folgte um 10 Uhr eine Sitzung mit den Ressorts Kultur und Wissen in Anwesenheit einer Vertreterin der Bildredaktion und einem Vertreter der Layoutabteilung. Danach stand um 10.20 Uhr die Sitzung mit dem Ressort Zürich auf dem Programm. Spurabbau am Bellevue, das Budget des Regierungsrats, die Krankenkassenprämien, der zurückgetretene Männerbeauftragte und der Auftritt von Pietro Suppino in Winterthur wurden diskutiert. Um 11 Uhr überprüfte Patrick die einzelnen Themen der verschiedenen Ressorts und sprach sich mit dem leitenden Redaktor des Newsnetz ab. Die nächste Sitzung stand bereits um 11.25 Uhr auf dem Tagesablauf. Da wurde eine Geschichte vom Samstag diskutiert, welche auf zwei Seiten erscheinen soll. Um 11.30 Uhr folgte dann die grosse Mittagskonferenz an der wieder alle Ressorts teilnahmen und über ihre Fortschritte informierten. Zudem gab es eine Blattkritik zur gestrigen Printausgabe und es wurden Verbesserungen bei Konvergenzthemen angebracht. Anschliessend stand das Mittagessen an.

Beeindruckende Videoleinwand
Nach der hohen Sitzungsdichte startete der Nachmittag im Vergleich dazu gerade gemächlich. Zeit um sich abzustimmen und auch wieder einmal die Internetseiten der anderen Medien anzuschauen. Zum Newsroom gehört nicht nur die kreisförmig angeordnete Leitung sondern auch die riesige Bildschirmwand. Darauf können sämtliche Websites geschalten werden, man kann Fernseh schauen oder die Besucherstatistik der Website verfolgen. Von den Experten wird das auch der Seismograph genannt (oben links). Da sieht man dann direkt welche Geschichten bei den Lesern auf Interesse stossen.

Videoleinwand

Um 15.15 Uhr folgte dann zur Auflockerung mal wieder eine Sitzung und zwar mit dem Ressort Wirtschaft. Da zeichnete sich ab, dass die Mühleberg Geschichte tatsächlich genügend Fleisch am Knochen hatte. Hinter den Kulissen wird tatsächlich um ein Datum gefeilscht um das AKW abzuschalten. Zudem wurde noch der Börsengang von Ledermann Immobilien diskutiert und auch der JP Morgen Vergleich von 11 Milliarden. Tijuana will anscheinend weg vom Alkohol- und Sex-Image. Ich frage mich, was die ausser Drogen sonst noch zu bieten haben, aber das gibt es ja jetzt im Tagi heute zu lesen. Die nächste Sitzung folgte sogleich um 15.30 Uhr und da wurde das Layout des Ressort Zürich besprochen.

Gestaltung der Frontseite
Um 16.30 Uhr machte sich Patrick Gedanken welche Stories auf die Frontseite kommen sollten und in welcher Grösse. Anschliessend wurde das Layout mit Platzhaltern erstellt und um 17.10 Uhr wurde die provisorische Frontseite unter dem Tagesleiter Online, Tagesleiter Print und einem Vertreter der Chefredaktion besprochen. Um 18.15 Uhr wurden dann die definitiven Inhalte mit allen Ressorts nochmals an einer Sitzung besprochen und noch kleine Änderungen vorgenommen. So wurde zum Beispiel die Geschichte „Baden in Baden“ zu Gunsten von einem Eishockeyportrait gekippt. Anschliessend war es an den Journalisten ihre Berichte fertigzustellen. Bis 23 Uhr mussten diese dann noch vom Lektorat überarbeitet und anschliessend ins Layout übernommen werden. Dann ging die Zeitung ab in den Druck.

Seitengestaltung

Ich hatte einen sehr erlebnisreichen Tag im Tagi Newsroom. Dabei ist mir aufgefallen, dass Patrick als Tagesleiter stets den Überblick und das Gesamtbild im Kopf behalten muss. Trotzdem ist er an jeder Ressortsitzung konzentriert dabei, kommentiert Themen oder hinterfragt die Relevanz. Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, welche neben einen extrem breiten Wissen auch eine hohe Konzentration erfordert. Ein grosses Dankeschön, dass ich hinter die Kulissen blicken und all die beteiligten Personen kennenlernen durfte! Und falls ihr einmal Hintergrundinformationen zu einem Startup benötigt, ihr wisst ja jetzt wo ihr mich findet.

Und so sahen die Frontseiten vom Tages-Anzeiger, Blick und NZZ heute aus:

Frontseiten Tagi, Blick und NZZ